von Samstag 18.6.2011 auf mein English Blog
Heute früh war das erste Mal diese Woche, dass ich Frühs aufgestanden bin, ohne die ganze Welt anschreien zu wollen. Bis heute war mein erster Gedanke immer: ‚lass mich bitte heute bloß keiner anfassen‘! Nein, es war eigentlich noch schlimmer – mein Gebet war das mich nichts und niemand auch nur berühre! Heute war auch der erste Tag, wo ich genug Energie habe, weiter als nur bis zur Couch zu kommen – fehlende Energie ist der Norm.
Fibromyalgie ist wirklich ätzend – es ist eine unsichtbare Krankheit mit einer Vielfalt Symptome, viele verschiedene Auslöser, wenig Behandlungsmöglichkeiten und ist obendrauf noch unheilbar. Im Gegensatz zu einem gebrochenen Bein oder einer offenen Wunde, kann kein Mensch es sehen und die meisten haben keine Ahnung davon, dass sie mir beim freundlichen drücken Schmerzen bereiten, die ich Stunden später noch spüre.
Fehlende Energie verschafft den Eindruck, dass ich faul bin. Die Einschränkungen und die Frust führen oft zu Depression oder zumindest zu einer ungesunden Negativität. Es ist auch sehr schwer Fibromyalgie in einem kurzen Satz zu erklären und die meisten Zuhörer schalten ehr schnell ab, wenn es mehr als ein Satz benötigt.
Vielleicht ist es schwer zu verstehen aber allein die Diagnose zu haben war ein Erfolg! OK, es ist unheilbar, aber zumindest hat dieses Leiden nun einen Namen und ich kann jetzt daran arbeiten. Sämtliche Ärzte in England erklärten mir, dass sich alles nur in meinem Kopf abspielte und natürlich hatte ich immer im Hinterkopf die Angst, dass es etwas Entsetzliches wäre, etwas das einfach noch nicht diagnostiziert worden war.
Einer der größten Vorteile nun in Deutschland zu leben ist, dass es hier eine so gute Krankenversicherung gibt. Nicht falsch verstehen, in England haben wir sehr gute Ärzte, die auch Weltweit anerkannt sind, aber es ist einfach nicht genug Geld in der Kasse. Nur lebensnotwendige Behandlungen sind garantiert und einer der Ärzte in England erklärte es mir so: Schmerzen sind nicht lebensgefährdend!
Eine Private Krankenversicherung und einen verständnisvollen Hausarzt zu haben ist ein Segen – ich habe Zugriff auf alle möglichen Fachärzte und Behandlungen. Medikamente lindern ebenso die Schmerzen, aber bis man eine Behandlung findet, die zur endgültigen Heilung führt, kann ich lediglich an den psychosomatischen Auslöser (immer ein Bestandteil chronischer Krankheiten) arbeiten.
Meine Einstellung hat eine große Auswirkung darauf, wie ich mit der Krankheit zurechtkomme: naja, es beschränkt mich natürlich, es ist derzeit unheilbar, aber ich werde nicht an Fibromyalgie sterben. Fibromyalgie ist kein Krebs, MS oder Motorneuronerkrankung. Ich lebe in einem fortgeschrittenen Land mit guter Krankenpflege und habe einen verständnisvollen Mann der für uns beide sorgt. Ich arbeite teilzeitig, für einen verständnisvollen Chef und Gott ist meine Stütze und verleiht mir seine Kraft. Richte ich mich nach dem Guten in meinem Leben oder nach den schlechten Sachen? Die Entscheidung ist meins.
Stress ist ein Auslöser für mich und das zu wissen hat mir auch sehr geholfen. Ich habe gelernt, Stressfaktoren zu identifizieren. Ich habe auch gelernt nach und nach meine Vergangenheit hinter mir zu lassen – es immer mit dir herum zu tragen hindert daran, ein volles Leben zu führen. Und so rate ich nun jedem: reiße dich zusammen und lerne mit Mut damit umzugehen. Glaub mir, es ist nicht halb so wild als du es dir vorstellst.
Den Alltag planen ist auch so eine Sache – gutes Planen hilft mir mehr zu erreichen. Zum Beispiel habe ich diese Woche fast komplett im Bett verbracht. In nur 3 Wochen hatten wir zweimal hinter einander Besucher und waren mehrere Tage unterwegs und ich war am Schluss komplett fix und fertig. Ich musste also die Woche nehmen um mich wieder zu fangen.
Vielleicht kennst du dieses auch schon mal gehört: das Leben gleicht einen Marathon und nicht den 100m Sprint. Mit Fibro leben gleicht sicherlich dem Marathon. Die ersten Schritte sind kleine Runden im Schritt-Tempo. Täglich baut man dann die Distanz und das Tempo auf bis man über Monate auf die 40km kommt. Dabei nimmt man die Rückschläge in Kauf, ändert was geändert werden muss, immer das Endziel im Auge.
Werde ich jemals einen Marathon laufen? Wahrscheinlich nicht. Einen Halb-Marathon? Fraglich. Bin ich aber bereit immer nur den Zuschauer zu spielen? Definitiv nicht! Deshalb habe ich die 5km auf meiner Liste!

“Ansonsten denkt über das nach, meine Geschwister, was wahr, was anständig und gerecht ist! Richtet eure Gedanken auf das Reine, das Liebenswerte und Bewundernswürdige; auf alles, was Auszeichnung und Lob verdient! - Philipper 4,8